Kirche

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Bereits 1857 interessierte sich König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, der den evangelischen Zweig des Johanniterordens wieder belebt hatte, für den Erwerb des „Muristan“, des Gründungsortes des Johanniterordens. 1869 machte der Sultan des Osmanischen Reiches den östlichen Teil des Muristan dem befreundeten preußischen König Wilhelm I. zum Geschenk. 1893 bis 1898 wurde auf dem Grundstück die deutsche evangelische Erlöserkirche erbaut.

Mitte des 19. Jahrhunderts hatte im Osmanischen Reich eine liberale Reformpolitik eingesetzt, die zur Öffnung Palästinas führte und die Präsenz von Europäern im Orient einleitete. In Jerusalem ließen sich Missionsgesellschaften nieder und auf Initiative König Friedrich Wilhelms IV. von Preußen entstand hier ein gemeinsames Bistum mit der anglikanischen Kirche Englands (1841-86), das die Anerkennung des Protestantismus als eigenständige Religionsgemeinschaft im Orient beförderte.

Der deutsche Kaiser Wilhelm II. schuf 1898 mit dem Bau der Erlöserkirche auf dem Muristan nicht nur ein Monument des Protestantismus in unmittelbarer Nähe der Grabeskirche, sondern auch ein nationales Denkmal. Der Bau hatte somit Anteil an seinem Bestreben, über eine friedliche Einflussnahme im Orient dem Deutschen Reich Weltgeltung zu verschaffen. Diesem Ziel diente auch die medienwirksam inszenierte Reise des Kaiserpaars zur Einweihung der Kirche am Reformationstag 1898. Die „Kaiserfahrt“ wurde von den europäischen Großmächten argwöhnisch beobachtet und auch ironisch kommentiert.

Die Erlöserkirche wurde auf dem Grundriss der Kreuzfahrerkirche St. Maria Latina neu aufgebaut. Der neoromanische Entwurf des Architekten Friedrich Adler orientierte sich am Vorbild des Vorgängerbaus. Die ursprüngliche Innenausstattung der wilhelminischen Kirche wurde bei Renovierungen des 20. Jahrhunderts radikal verändert. So entfernte man Altar und Kanzel sowie sämtliche Malereien und Mosaike an den Wänden und in der Kuppel. Heute erinnern nur noch ein Christusmosaik und die Fenster in der Mittelapsis an die frühere Gestaltung.

Die Erlöserkirche war der sakrale Mittelpunkt der deutschen evangelischen Gemeinde in Jerusalem, die zu einem großen Teil aus Mitarbeitern der zahlreichen sozialen Einrichtungen deutscher Missionsgesellschaften bestand. Durch die politischen Ereignisse des 20. Jahrhunderts wurden viele der Einrichtungen zeitweise oder ganz geschlossen und bestehen jetzt zum Teil an anderen Orten. An der Erlöserkirche existieren heute vier lebendige protestantische Gemeinden, die ihre Gottesdienste in deutscher, arabischer, englischer und dänischer Sprache feiern.

Dokumente und Fotos sowie Souvenirs der „Kaiserfahrt“ berichten dem Ausstellungsbesucher von der Entstehung der deutschen evangelischen Gemeinde in Jerusalem und von der glanzvoll inszenierten Einweihung der Erlöserkirche. Historische Pläne, Fotos und Reste der Innenausstattung demonstrieren die Architektur der Erlöserkirche und die Veränderung ihres Erscheinungsbildes im 20. Jahrhundert. Auf einer großen Karte Jerusalems kann das Schicksal der deutschen evangelischen Einrichtungen bis heute verfolgt werden.